Klimasensitivität und Rückkopplungen (feedbacks)

Das Klimasystem Erde besteht aus vielen Komponenten, welche miteinander in Beziehung stehen und sich gegenseitig beinflussen können. Alle Komponenten sind Veränderungen unterworfen und ob eine Veränderung stattfindet oder nicht ist meist keine Frage, sondern nur wie schnell eine Veränderung vor sich geht und wie stark sie ist. Reaktionen auf eine Störung können sehr schnell erfolgen, aber auch so lange dauern, dass sie für uns praktisch keine Rolle spielen.

Wie bereits geschildert spielen verschiedenste Wechselwirkungen eine wichtige Rolle im Klimasystem. Daher ist es im Allgmeinen schwierig genau vorherzusagen, was genau aufrund einer anfänglichen Störung passieren wird. Aus einer anfänglichen Störung, z.B. einer Störung der Strahlungsbilanz am Oberrand der Atmosphäre durch reduzierte Abstrahlung langwelliger Wärmestrahlung als Folge von CO2-Emissionen (siehe Abschnitt 6.4) oder durch andere Effekte kann es zu einer anfänglichen Erhöhung der globalen Mittel-Temperatur des Erdbodens und der bodennahen Luftschichten kommen. Dieses kann nun eine Reihe weiterer Effekte zur Folge haben. Diese können einerseits verstärkend wirken aber auch abschwächend. Bei einem verstärkenden Prozess wird die Temperatur am Ende höher sein, als die Temperaturerhöhung durch die anfängliche Störung. Bei einem abschwächenden Prozess ist das Gegenteil der Fall. Nun gibt es meist eine Vielzahl verstärkender aber auch abschwächender Prozesse und das macht es schwierig abzuschätzen bzw. genau zu berechnen, was aus einer anfänglichen Störung resultieren wird.

Zur Quantifizierung der Effekte von Rückkopplungen (feedbacks) werden sogenannte Klima-Rückkopplungs-Parameter (feedback parameter) bestimmt bzw. angegeben, welche meist mit α bezeichnet werden. Sie geben an, wie groß der Strahlungsantrieb (siehe Abschnitt 6.4) in W/m2 pro Grad Temperaturerhöhung ist. Die Einheit dieses Parameters ist also W/m2/oC. Die Aufgrund einer Störung der Strahlungsbilanz am Oberrand der Atmosphäre resultierende änderung der globalen bodennahen Lufttempeatur hängt von der Stärke der Störung ab, aber auch von der Stärke der Rückkopplungen, also von α.

Man kann zeigen (siehe z.B. Stocker, 2008), dass man die Rückkopplungs-Parameter für die verschiedenen Prozesse einfach addieren kann, um den Gesamt- Rückkopplungs-Parameter zu erhalten, welcher den Gesamteffekt aller Rückkopplungs-Prozesse beschreibt (für den unten ebenfalls erwähnten negativen Kehrwert von α, also für die mit S bezeichnete Klimasensitivität, gilt dies nicht).

Der α-Wert ohne Rückkopplungen - genauer gesagt der α-Wert berechnet nur unter Berücksichtigung der änderung der Planck-Strahlung (oft auch als "Planck-Rückkopplung" (Planck feedback) bezeichnet, obwohl dies eigentlich keine Rückkopplung ist), welcher die Zunahme von langwelliger Wärmestrahlung aufgrund einer Temperaturerhöhung beschreibt - wird oft als α0 bezeichnet. Der genaue numerische Wert von α0 hängt etwas davon ab mit welcher Methode bzw. welchem Klimamodell er bestimmt wurde aber ein typischer Wert beträgt -3,2 W/m2/oC (siehe "Planck" in Abbildung 45, aber auch Stocker, 2008, und Cronin, 2020, für zusätzliche Informationen).

Was sagt einem solch eine Zahl? Das illustrieren wir hier mittels Abbildung 44:

Bei einer (anfänglichen) Störung der Strahlungsbilanz von 3,7 W/m2, entsprechend einer (quasi instantanen) Verdopplung der atmosphärischen CO2-Konzentration (z.B. von 280 ppm auf 560 ppm), entspricht die Planck-Rückkopplung einer Temperaturerhöhung von etwa 1,2 oC, den ΔT = -ΔF/α = -3,7 W/m2 / (-3,2 W/m2/oC) = 1,2 oC.

Diese Berechung basiert auf der in Abbildung 44 angebenen Gleichung ΔN = ΔF + α ΔT (für den Gleichgewichtsfall ΔN = 0). Diese einfache Gleichung liefert einen Zusammenhang von Störung der Strahlungsbilanz (anfänglich ΔF, im Allgemeinen ΔN), Rückkopplungs-Parameter α und Temperaturänderung ΔT.

Unter Berücksichtigung von (weiteren) Rückkopplungen, welche im Folgenden kurz beschreiben werden, steigt der numerischen Wert des Gesamt-α an, wobei α negativ bleibt (sich sein Betrag aber reduziert).

In Abbildung 44 ist gezeigt, welche Temperatur sich eingestellt, wenn α den Wert von -1,2 W/m2/oC annimmt, also einen Wert, welcher unter Berücksichtigung verschiedener Rückkopplungen bestimmt wurde (siehe "Netto" in Abbildung 45).

Abbildung 45 zeigt Abschätzungen für feedback parameter α für verschiedene individuelle Rückkopplungen und deren Summe für den Gesamteffekt. Der Gesamteffekt liegt hier im Bereich -0,6 bis -1,8 W/m2/ oC mit einem Schwerpunkt bei etwa -1,2 W/m2/ oC. Dies entspricht einer Klimasensitivität S von 0,6 bis 1,7 oC /(W/m2) mit einem Schwerpunkt bei etwa 0,8 oC /(W/m2).

Die Störung der Strahlungsbilanz bei einer Verdopplung von CO2 ist etwa 3,7 W/m2 (siehe Abschnitt 6.4). Dieser Strahlungsantrieb von 3,7 W/m2 läßt sich also nun mittels der Klimasensitivität S in eine entsprechende Temperaturänderung umrechnen. Es ergibt sich ein Temperaturbereich von 2,2 - 6,3 oC.

Dies ist in recht guter übereinstimmung mit dem bereits erwähnten Bereich (siehe Abschnitt 6.4) von 1,5 bis 4,5 oC (IPCC AR5 WG1 SPM) bzw. 2,5 - 4 oC (IPCC AR6 WG1 SPM), wobei der wahrscheinlichste Wert der Temperaturerhöhung bei etwa 3 oC liegt (passend zu unserer Berechnung: 3,7 W/m2 x 0,8 oC/(W/m2) = 3 oC).

Diese Temperaturerhöhung von 3 oC aufgrund einer Verdopplung der atmosphärischen CO2-Konzentration ist die beste Schätzung, die es laut des IPCC AR6 Berichts von 2021 gibt (IPCC AR6 WG1 SPM: "The AR6 assessed best estimate is 3oC with a likely range of 2.5 oC to 4 oC (high confidence), compared to 1.5 oC to 4.5 oC in AR5." ). Anmerkung: "likely" bedeutet hier eine Wahrscheinlichkeit bzw. Sicherheit der gemachten Aussage von mindestens 66%.

Reaktion.

Abbildung 44: Definitionen fär eine idealisierte Reaktion auf eine CO2-Verdopplung (modifiziert nach: IPCC AR6 WG1, Kapitel 7, Box.7.1, Abb. 1). Die Störung der Strahlungsbilanz, ΔN in W/m2, ist hier auf der y-Achse aufgetragen und die resultierende Temperaturänderung auf der x-Achse. Die Erde befindet sich zunächst in einem Gleichgewichtszustand, welcher hier im Ursprung des Koordinatensystems liegt. Aufgrund der Störung (hier: Verdopplung der atmosphärischen CO2-Konzentration) folgt das Klimasystem zunächst dem als 1 bezeichneten Weg "vertikal nach oben", d.h. nur ΔN ändert sich, aber die Temperatur (noch) nicht. ΔN nimmt hier einen positiven Wert an (hier ΔF = 3,7 W/m2), der anzeigt, dass Netto mehr Energie von der Sonne aus dem Weltall eingestrahlt wird als wieder ausgestrahlt wird. Die Erde erhält also einen Energieüberschuss (positive "earth energy imblance" (EEI)). Als Reaktion hierauf erwärmt sich die Erde. Welche Temperatur sich einstellen wird hängt vom Wert des Rückkopplungs-Parameters α ab. Der α-Wert ohne Rückkopplungen ist hier mit α0 bezeichnet und ein möglicher typischer Wert mit Rückkopplungen mit α. Wie man sieht, bestimmt der Rückkopplungs-Parameters ob hier Weg 2 (mit Rückkopplungen) oder Weg 3 (ohne Rückkopplungen) beschritten wird und welche Temperatur im neuen Gleichgewicht (wenn also wieder ΔN = 0 gilt) erreicht wird.

Vermutlich etwas anschaulicher als der feedback parameter α ist dessen negativer Kehrwert, meist mit S (sensitivity) bezeichnet. Diese Klimasensitivität S (= -1/ α) hat die Einheit oC/(W/m2) und sagt aus, um wieviel sich die global gemittelte bodennahe Lufttemperatur ändert, wenn sich der Strahlungsantrieb am Oberrand der Atmosphäre um 1 W/m2 ändert. Ist zum Beispiel S = 0,3 oC/(W/m2) und ist der entsprechende Strahlungsantrieb ΔF = 3,7 W/m2, dann ist die entsprechende Temperaturänderung ΔT = S x ΔF = 0,3 x 3,7 = 1.1 Grad Celsius.

Wichtige klimarelevante Rückkopplungsprozesse (climate feedbacks) sind:

Feedbacks.

Abbildung 45: Resultat der Abschätzung der Stärke individueller Klima-Rückkopplungen sowie der Gesamteffekt aller Rückkopplungen ("Netto") mittels verschiedener Klimamodelle. Quelle: IPCC AR6 WG1 Kapitel 7, Abb. 7.10 (vereinfacht)).

Ob eine Rückkopplung positiv oder negativ ist kann man auch grafisch nachvollziehen bzw. darstellen. Dies ist hier für 2 Rückkopplungen gemacht, und zwar für den Albedo-Feedback (Abbildung 46) und den Wolken-Feedback (Abbildung 47).

Diese Grafiken sind folgendermaßen zu lesen:

Beide Prozesse starten mit einer Temperaturerhöhung aufgrund einer beliebigen Ursache, also mit einer Zunahme des Wertes in der Box "Temperatur". Beim Albedo-Feedback (Abbildung 46) geht es laut dem Pfeil nach rechts weiter zur "Schnee und Eis" Box. Das Minus über dem Pfeil bedeutet, dass sich das Verhalten bzgl. der Richtung umdreht. Das heisst: Aus der Zunahme der Temperatur resultiert eine Abnahme der Fläche von Schnee und Eis. Dann geht es weiter zu "Albedo" und zwar mit einem Plus, d.h. Albedo nimmt genau wie Schnee und Eis auch ab (weniger Reflektion, also mehr Absorption, also mehr Erwärmung). Weiter mit Minus zur "Strahungsbilanz" also Zunahme der Strahlungsbilanz, d.h. vermehrte Netto-Energiezufuhr in das Klimasystem Erde, also Erwärmung. Weiter mit Plus zur Temperatur, die damit ebenfalls zunimmt. Bei diesem ersten Umlauf hat sich also die anfängliche Temperaturerhöhung weiter verstärkt. Diese positive Verstärkung ist durch das eingekreiste Pluszeichen in der Mitte dargestellt.

Bei Wolken ist alles komplizierter, wie Abbildung 47 zeigt: Niedrige Wolken schwächen die Temperaturerhöhung ab, hohe Wolken verstärken sie.

Zusammenfassend kann man in Abbildung 48 noch einmal klar erkennen, dass der Gesamteffekt der Klimarückkopplungen darin resultiert, die Klimasensitivität S, welche eine Störung der Strahlungsbilanz mit der resultierenden Temperaturerhöhung verbindet, zu verändern - und zwar nach heutigem Wissensstand hin zu einer verstärkten Sensitivität S ausgehend von einer geringeren Sensitivität S0, welche Rückkopplungseffekte nicht berücksichtigt.

Albedo-Feedback.

Abbildung 46: Illustration Albedo-Feedback (nach: Stocker, 2008).

Wolken-Feedback.

Abbildung 47: Illustration Wolken-Feedback (nach: Stocker, 2008).

Wolken-Feedback.

Abbildung 48: Klimasensitivität ohne und mit Rückkopplungen.


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