Da die anthropogenen Emissionen einen deutlich höheren Anstieg der Spurengaskonzentrationen erwarten lassen, als tatsächlich beobachtet wird, konzentriert sich die Forschung besonders auf die Abbauprozesse der emittierten Stoffe. Um 1970 herum wurden die ersten Reaktionsmechanismen vorgestellt, die Radikale als Hauptabbaureaktanden in der Troposphäre zeigen [Weinstock, 1969 und Levy, 1971 und 1972].
Der größte Teil der Spurengase reagiert katalytisch mit dem Hydroxy- (OH-) oder dem Hydroperoxy- (HO2-) Radikal. Bei den dabei entstehenden Endprodukten handelt es sich meist um wasserlösliche Verbindungen wie z.B. HNO3 und H2SO4 oder stabile Gase wie CO2. Die wasserlöslichen Stoffe werden mit dem Regen aus der Atmosphäre herausgewaschen, während das CO2 im Ozean gelöst oder durch Photosynthese in O2 umgewandelt wird.
Da bei den Abbaureaktionen keine Radikale verloren gehen, sondern nur ineinander umgewandelt werden, reichen sehr geringe Mischungsverhältnisse im ppt-Bereich (ppt: parts per trillion) aus, um starke Verunreinigungen der Atmosphäre zu beseitigen. Die Summe aus der OH- und HO2-Konzentration (= HOx-Konzentration) kann somit als Indikator für die Selbstreinigungskraft der Atmosphäre dienen.
Das OH-Radikal initiiert hauptsächlich den Abbau von Kohlenwasserstoffen und ist damit der wichtigste Reiniger der Atmosphäre. Das HO2-Radikal spielt in der Troposphäre eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Sommersmog. Es fördert in NOx-belasteten Regionen die NO2-Bildung, wodurch die Ozonproduktion verstärkt wird. In NOx-freien Regionen führt es wie das OH-Radikal zu einem Ozonabbau.
Um diese Prozesse untersuchen zu können, sind verschiedene Verfahren zur Bestimmung von Radikalkonzentrationen entwickelt worden. Aufgrund der hochreaktiven und niedrigkonzentrierten Radikale muß in den Verfahren ein hoher experimenteller Aufwand getrieben werden. So kommen immer mehr mögliche Fehlerquellen ins Spiel, deren Einfluß auf die gemessene Radikalkonzentration nicht sicher abgeschätzt oder berechnet werden kann.
Daher sind viele der Meßmethoden ohne eine Kalibration zur Bestimmung ihrer Empfindlichkeit gegenüber Radikalen nicht verwendbar. Zur Kalibration sind Radikalquellen notwendig, die bekannte und reproduzierbare Radikalmischungsverhältnisse in der Größenordnung der in der Atmosphäre erwarteten Werte produzieren.
Auch in den Quellen stellt die hohe Reaktivität der erzeugten Radikale das Hauptproblem dar. Es kommt zu unerwünschten Reaktionen mit anderen Stoffen aus dem Kalibrationsgas oder zu Verlusten der Radikale durch Reaktionen an den Wänden der Quelle. Hinzu kommen noch mögliche Interferenzen des Detektors, die bei der Kalibration mit berücksichtigt werden müssen. Radikalquellen müssen vor ihrem Einsatz daher sehr gut charakterisiert werden, damit es nicht zu Fehlern bei der Kalibration kommt.
In dieser Arbeit wird eine bestehende Radikalquelle systematisch untersucht. Die Methode der Radikalerzeugung beruht auf der Photolyse von Wasserdampf bei 185 nm Wellenlänge in einem Strömungsreaktor. Mit der Quelle ist es möglich, Radikalmischungsverhältnisse im Bereich der atmosphärischen Werte von 20 bis 300 ppt herzustellen.
Die Untersuchung deckt mehrere Schwierigkeiten beim Betrieb der Quelle auf, die zu schwankenden Signalen und Fehlern bei der Radikalbestimmung führen. Aus diesen Problemen ergeben sich Anforderungen an eine neu aufzubauende Quelle, die in der Arbeit diskutiert werden.
Anhand der Anforderungen wird eine neue Quelle entworfen und realisiert, die auf dem gleichen Quellenprinzip beruht. Sie wird in verschiedenen Meßreihen ebenfalls systematisch charakterisiert, um zu zeigen, daß die Probleme der vorherigen Quellenversion überwunden werden konnten. Dazu werden die Ergebnisse teilweise mit Rechnungen an einem dreidimensionalen Quellenmodell verglichen.
Während der Arbeit an der neuen Quelle wurde festgestellt, daß der Radikaldetektor eine Interferenz gegenüber Wasserdampf aufweist. Diese Querempfindlichkeit wird in der Arbeit ebenfalls für das in Bremen verwendete Meßgerät charakterisiert und die Auswirkungen auf Detektionslimit und Unsicherheit des verwendeten Detektors werden diskutiert.
|
|
|