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Messungen: Literatur

Die Beobachtung, daß die relative Tiefe von FRAUNHOFERlinien in gestreutem Licht geringer ist als in direktem, geht namentlich zurück auf die Entdeckung von Grainger & Ring (1962), obwohl bereits Shefov (1959) dasselbe Phänomen dokumentierte. Im Jahr 1961 führten Grainger & Ring Messungen durch, deren Ziel es war, das vom Mond reflektierte Streulicht nach möglicher Lumineszenz zu untersuchen. Die Messungen führten sie mit einem astronomischen Teleskop durch, mit dem es nicht möglich war, das solare Referenzspektrum aufzunehmen. Zu diesem Zweck ,,eichten`` sie die Mondmessungen mit Streulicht des Tageshimmels und fanden (zu ihrer Überraschung), daß die FRAUNHOFERlinien geringere Linientiefen aufwiesen als die des Mondlichts. Erwartet hatten sie, daß die Lumineszenz des Mondgesteins zur Auffüllung der FRAUNHOFERlinien führen würde.

Seit Grainger & Ring wurde die Abhängigkeit der Auffüllung der FRAUNHOFERlinien durch bodengestützte Streulichtmessungen hinsichtlich verschiedener Parameter, wie z.B. Bodenalbedo, Sonnenzenitwinkel (SZA) und Bewölkung untersucht.

Grainger & Ring untersuchten die CaIIH- Linie im Mond- und Zenitstreulicht und fanden für den Bewölkungsfall geringere Auffüllungswerte als für einen klaren Himmel. Sie vermuteten  Airglow als Grund für die Auffüllung. Einem Effekt, ähnlich den Nordlichterscheinungen, der durch Streuung von Licht an Geo-Coronalen Elektronen (einem Teil des sogenannten Sonnenwindes) entstehen kann.

Einige Autoren, z.B. Spinrad (1964) und McCord (1967), konnten Auffüllung im reflektierten Mondlicht beobachten, von der aber ein gewisser Beitrag auf lunare Lumineszenz zurückgeführt werden konnte.

Noxon & Goody (1965) konnten eine bis heute unverstandene Verringerung der Auffüllung für zunehmende SZA verzeichnen. Hierbei untersuchten sie die Fe- Linie und maßen Auffüllungen von 3% Mittags und 1% Abends. Die SZA- Abhängigkeit konnte in dieser Weise nicht wieder reproduziert werden, und es bleibt fraglich, in wieweit es sich um einen physikalischen oder meßtechnischenALT Zusammenhang handelt. Außerdem konnten sie eine Auffüllung der H(alpha)- Linie in der Mittagszeit von 1.5% notieren. Schließlich fanden sie größere Auffüllungswerte für den blauen als für den roten Bereich des Spektrums. Weitere Untersuchungen hinsichtlich der atmosphärischen Quellen des sogenannten RING Effektes an der CaIIK Linie (393.4 nm) aus einem 13km hochfliegenden Flugzeug und bodengestützte Messungen ergaben gleich große relative Auffüllungen. Das von Grainger & Ring angenommene Airglow kann also nicht am RING Effekt teilhaben, da es in großen Höhen erzeugt wird und daher nicht um den gleichen Betrag in den unteren Atmosphärenschichten wachsen kann. Noxon & Goody sind die ersten Autoren, die eine starke Depolarisation in verschiedensten FRAUNHOFERlinien beobachten. Abschätzungen der Autoren führten zur Vermutung, daß  Fluoreszenz an Aerosolen die Beobachtungen hinreichend gut erklären können, während sie aus energetischen Gründen Rotations RAMAN Streuung (RRS) zurückwiesen.

Drei Jahre später wies Brinkmann (1968), ebenso wie Noxon & Goody, die Annahme von Grainger & Ring, die Auffüllung entstünde durch Airglow, zurück, da zum einen die optische Dichte < 10-6, zum anderen die Bandbreite von ungefähr 0.2 nm dieses Prozesses zu gering ist. Die Annahme von Noxon & Goody, es handle sich um Fluoreszenz an Aerosolen, konnte zu diesem Zeitpunkt durch Brinkmann nicht entkräftet werden. Trotzdem gibt er an, daß der Verlauf und die Größe der Auffüllung durch RRS nahezu vollständig den damaligen Kenntnisstand der Forschung erklären konnte. Er zeigte, daß, im Gegensatz zu dem was Noxon & Goody behaupteten, RAMAN-gestreute Strahlung stärker als die RAYLEIGH- gestreute depolarisiert ist und somit auch maßgeblich an Umverteilungsprozessen partizipieren kann, wenn nur unpolarisierte Strahlung untersucht würde. Brink-mann räumte ein, daß die von Noxon & Goody beobachtete SZA Abhängigkeit nicht konsistent mit RRS ist.

Im Jahre 1970 diskutierte Hunten (1970) wiederholt die von Noxon & Goody beobachteten Ergebnisse und nahm an, daß die Auffüllung primär durch Bodenreflektion erfolgt, wobei er die Winkelabhängigkeit mit Variationen der relativen Beiträge des Bodens erklärte. Im wesentlichen wurde diese Annahme lediglich durch die Aussage von Noxon & Goody unterstützt, die eine Zunahme des Effektes durch eine weiße Reflektorwand beobachteten.

Pavlov et al. (1973) untersuchten die Auffüllung in Abhängigkeit des SZA und fanden eine Verdopplung der Auffüllung bei 80o SZA gegenüber Winkeln im Bereich des Zenits. Ebenso wie Noxon & Goody bestätigten sie eine Zunahme der Auffüllung hin zu kurzen Wellenlängen.

Harrison & Kendall (1974) beobachteten wiederum eine Abhängigkeit des RING Effektes für die CaI- Linie (422.7 nm) vom SZA, wobei sie den Tagesgang von Noxon & Goody bestätigten. Ebenso wie bereits Grainger & Ring fanden sie starke Schwankungen in der Auffüllung für veränderte Wetterbedingungen. Tendenziell beobachteten sie jedoch einen mittleren Abfall mit Zunahme der Bewölkung, wie Grainger & Ring. Weiterhin maßen sie Auffüllungen für Grünflächen bis 1.8% und Schneebedeckung von 3.6%. Direkte Reflektion des Lichts am Schnee ergab verschwindend geringe Auffüllung.

Harrison (1974) modellierte ohne Einbeziehung des Strahlungstransports RRS, Aerosolfluoreszenz, sowie  BRIOULLIN Streuung am Boden. Neben RRS vermutete er Aerosolstreuung als möglichen Beitrag zum RING Effekt. BRIOULLIN Streuung am Erdboden wies er wegen zu schmaler Bandbreite zurück. Interessant ist allerdings, daß alle seine Modellergebnisse relativ gute Übereinstimmung mit seinen Experimentaldaten haben.

Clarke & McLean (1975) untersuchten die H(beta) -Linie polarimetrisch und fanden ebenso wie Noxon & Goody, daß die Polarisation im Bereich der Linienränder stärker ist als die des Linienzentrums.

Chanin (1975) bestätigte diese Annahme durch Experimente mit gestrichenen Reflektorwänden, übersah allerdings die Tatsache, daß praktisch alle erhältlichen Anstriche fluoreszierende Aufheller benutzen (Kattawar et al., 1981). Andererseits konnte er als erster feststellen, daß für die untersuchten Linien (NaD2-Linie, 589 nm und eine Kalium-Linie, 769.9 nm) eine beobachtbare Vergrößerung der Auffüllung zu verzeichnen war, wenn sich die Bodenalbedo vergrößert hatte (im untersuchten Fall durch Schneebedeckung).

Barmore (1975) konnte im selben Jahr wie Chanin für die FeI-Linie (630.15 nm) einen kräftigen Anstieg der Auffüllung mit zunehmenden SZA beobachten. Jedoch maß er nur Licht, welches parallel polarisiert war, und somit ist die Vergleichbarkeit mit den meisten Autoren, die den unpolarisierten Anteil des Lichts gemessen haben, nicht gegeben.

Messungen von Harrison (1976) im langwelligeren Spektrum (Fe- Linie, 432.6 nm und H(gamma), 434.0 nm) zeigten einen Trend hin zu geringerer Auffüllung im Vergleich zu den Messungen im nahen UV. Für klaren Himmel maßen sie eine Auffüllung der Ca-Linie (422.7 nm) von 1.8% für 30o und 3.8% für 90o SZA. Für die Fe-Linie liegen die Werte bei 1.3% und 3.7%. Die H(gamma) Auffüllung ergab 1.5% und 3.7%. Bemerkenswert ist sicherlich die Aussage von Harrison (1976), daß ein ,,zufallsähnliches`` Verhalten der Auffüllung während des Tages beobachtet wurde, wenn die Bewölkung zunahm, während an klaren Tagen ein glatter Verlauf gemessen wurde. Die Auffüllung nahm nun mit zunehmenden SZA zu und Harrison (1976) räumte Unzulänglichkeiten bei den Messungen ein, die er und Kendall 1974 veröffentlichten.

Kattawar et al. (1981) unterstützten auf theoretischer Basis die Annahme von Brinkmann, daß ein Hauptteil der Auffüllung durch RRS verursacht wird. Weiterhin schätzen sie BRIOULLIN Streuung in Luft durch bewegte Luftdichteschwankungen als möglichen Beitrag ab. Sie räumen aber ein, daß die von Hunten (1970) geäußerte Theorie, daß BRIOULLIN Streuung an natürlichen Oberflächen, dessen Nachweis bereits bei Labormessungen Schwierigkeiten macht, keinen Beitrag spielen kannALT. Weiterhin weisen Kattawar et al. (1981) darauf hin, daß im Falle eines durch Bodenreflektion bedingten Effektes eine Abnahme der Auffüllung mit Zunahme des SZA zu erwarten wäre. Aufgrund zu geringer Konzentration von Aerosolen, selbst in stark belasteten Industriegebieten, schlossen sie, daß Aerosolfluoreszenz als Beitrag nicht in Frage kommen kann.

Tade & Tillu (1984) untersuchten den Zusammenhang zwischen dem ,,Natrium-Dayglow`` im Bereich der NaD-Linie und dem RING Effekt. Für die Morgen-und Abendstunden fanden sie jeweils minimale AuffüllungALT. Hierbei ist der Tagesgang keineswegs als ungewöhnlich dargestellt worden, und es bleibt zweifelhaft inwieweit ihre Messungen als repräsentativ zu verstehen sind, insbesondere, da zu diesem Zeitpunkt bereits mehrmals dokumentiert wurde, daß Auffüllung auch in anderen als den Natrium-Linien nachgewiesen wurde und der Ursprung der Auffüllung nicht nur in großen Höhen gesucht werden kann. Der Tagesgang des RING Effektes kann ebenfalls nicht auf Natrium-Dayglow zurückgeführt werden (Burnett et al., 1975).

Solomon et al. (1987), siehe auch Abschnitt Messung von RING Referenz Spektren, wandten sich nicht der grundlagenorientierten Untersuchung der Auffüllung zu, sondern stellten auf der Basis von polarimetrischen Messungen ein Verfahren vor, welches den Einfluß des RING Effektes auf die Bestimmung von atmosphärische Spurengasen durch Analyse von (bodengestützten) Zenitmessungen berücksichtigt. Hierbei nutzten sie die Tatsache, daß RAYLEIGH- und Rotations RAMAN- gestreutes Licht stark unterschiedliche Polarisationseigenschaften hat. Dank ihrer relativ einfachen meßtechnischen Realisierung und der Tatsache, daß sie auf einer soliden theoretischen Basis steht, findet diese Methode breiten Anklang, siehe z.B. Richter et al. (1994), Fish & Jones (1995).

Clarke & Basurah (1989) unternahmen polarimetrische Tagesgangmessungen in der H(beta) -Linie und fanden für SZA von etwa 48-49o eine stärkere Polarisation im Linienzentrum als in den Rändern, also ein gegenläufiges Resultat zu Clarke & McLean (1975). Dieses Phänomen konnte bis zum heutigen Zeitpunkt nicht geklärt werden.

Lushkin et al. (1990) beobachteten im direkten Sonnenlicht einen Anstieg der differentiellen optische Dicke in der CaIIH-Linie bei gleichzeitiger Abnahme in der CaIIK-Linie mit steigendem SZA (in benachbarten FRAUNHOFERlinien konnten keine Anomalien verzeichnet werden). Aufgrund des sporadischen Erscheinens ist Airglow möglicherweise der Grund hierfür.

Conde et al. (1992) maßen für alle vier Himmelsrichtungen (Azimutwinkel) sowie für den Zenit jeweils unter 60o die Auffüllung der NaD2-Linie (589 nm) in der Antarktis. Ungewöhnlich hohe Auffüllungen von bis zu 35% für SZA von unter 90o sind dabei eine Konsequenz der hohen Auflösung des genutzten Instrumentes von etwa 25pm. Allerdings sind die Ergebnisse aufgrund des geringen Störabstands SN (engl.: Signal to Noise ) für tiefstehende Sonne mit großen Meßfehlern behaftet.

Auch sie konnten einen Auffüllungsanstieg für große SZA beobachten. Aufgrund der zum Teil sehr großen Auffüllung kommen sie zum Schluß, daß Aerosolfluoreszenz in der relativ reinen Luft der Antarktis keinen signifikanten Einfluß auf die Messungen haben kann.

Bussemer (1993) wiederholte die Messungen von Conde et al. (1992) für die NaD-Linien und führte darüberhinaus Messungen an der H(beta) - Linie durch. Zwecks Vergleich mit Conde et al. mußte er allerdings seine Ergebnisse extrapolieren, da recht große Auflösungsunterschiede zwischen den genutzten Instrumenten bestanden. Grundsätzlich fand er gute Übereinstimmung.

Fish & Jones (1995) führten, wie Solomon et al., RING Referenzspektren zwecks Korrektur bei der Auswertung von bodengestützten Zenitmessungen ein und wiesen explizit auf die Tatsache hin, daß ebenso wie solare FRAUNHOFERlinien auch strukturierte Gasabsorptionslinien unter bestimmten Bedingungen aufgefüllt werden können.

Wesentliche Charakteristika des bodengestützt gemessenen RING Effektes sind:

1.
der Abfall (laut z.B. Noxon & Goody (1965)) der Auffüllung mit Anstieg des SZA ist als atypisch zu bezeichnen;
2.
der Anstieg der Auffüllung ist mit dem mittlere Anstieg der Bodenalbedo verbunden.
3.
die Zunahme der Auffüllung für kurze Wellenlängen;
4.
Unklar bleibt nach wie vor, wie die Auffüllung mit der Bewölkung zusammenhängt.

Zusammenfassend zeigen die durchgeführten Messungen sowie begleitende theoretische Untersuchungen, daß RRS einen maßgeblichen Anteil am RING Effekt hat. Reine Modellansätze, die auf diesen Überlegungen gründen, werden im folgenden Abschnitt kurz zusammengefässt.



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Marco Vountas