Außerdem werden die Funktionsprinzipien verschiedener Radikalmeßmethoden, insbesondere der chemischen Verstärkung, erklärt. Auch die generellen Vorgänge in einer Wasserphotolysequelle zur Erzeugung von Peroxyradikalen werden dargelegt.
Die im folgenden Abschnitt dargestellten Grundlagen stützen sich im wesentlichen auf die Bücher von Finnlayson-Pitts und Pitts, 1986 und Wayne, 1991, sowie einen Übersichtsartikel von Logan et al., 1981
.Tagsüber entstehen die meisten Radikale in der Troposphäre durch die Photolyse von Spurengasen. Besonders wichtig ist dabei die Photolyse von Ozon, das durch Stratosphäreneintrag in die Troposphäre gelangt.
Ein Großteil der angeregten Sauerstoffatome O(1D) relaxiert durch Stöße mit Luftmolekülen in den Grundzustand O(3P), welcher direkt mit molekularem Sauerstoff zu Ozon zurückreagiert. Ein kleinerer Teil reagiert mit Wasser und bildet Hydroxyradikale (OH).
Durch die weitere Reaktion der Hydroxyradikale mit Ozon werden Hydroperoxyradikale gebildet.
Diese können ebenso wieder zurückreagieren.
In bezug auf die Radikalsumme sind die beiden Reaktionen neutral, die Ozonmenge wird durch sie aber verringert. In nicht anthropogen verschmutzten Luftmassen tragen diese Reaktionen somit zum troposphärischen Ozonabbau bei.
Sind in der Luft Kohlenstoffverbindungen wie z.B. Methan und Kohlenmonoxid vorhanden, kommt es zu deren Abbau, der meistens über die Bildung von organischen Peroxyradikalen (RO2) abläuft.
Das R in RH steht in diesem Fall für
eine beliebige Alkylgruppe mit mindestens zwei Kohlenstoffatomen.
Es können auch HO2-Radikale durch Reaktion mit einer Kohlenstoffverbindung entstehen.
Ungesättigte und zyklische Kohlenwasserstoffverbindungen werden ebenfalls vom OH-Radikal attackiert. Sie bilden jedoch noch einige Zwischenprodukte, die teilweise zerfallen, bevor aus ihnen ein kürzerkettiges Peroxyradikal entsteht.
Durch Reaktion der entstandenen Radikale miteinander bilden sich stabilere Reaktionsprodukte, die zum Teil durch feuchte oder trockene Deposition aus der Atmosphäre entfernt werden.
Die so gebildeten Peroxide können in der Gasphase nur über diesen Reaktionsmechanismus produziert werden [Platt et al, 1990].
Durch Photolyse oder eine weitere Reaktion mit einem Radikal können die stabileren Stoffe wieder zur Radikalproduktion führen. Man kann sie also als Reservoirstoffe betrachten, durch die der Transport von Radikalen über längere Strecken ermöglicht wird.
Aus den stabileren Zwischenprodukten bilden sich Radikale zurück, wobei die Kettenlänge der organischen Verbindungen immer weiter abnimmt, so daß es insgesamt zu einer Oxidation der Kohlenwasserstoffe kommt.
Die bisher betrachteten Radikalverlustreaktionen treten hauptsächlich nur in Luftmassen mit sehr niedriger NOx-Belastung auf. Sobald die NO-Konzentration die Grenze von ca. 10-15 ppt überschreitet, sind die Reaktionen der Radikale mit NO häufiger als ihre Eigenreaktionen und die Reaktion mit Ozon ((R.4) und (R.5)) [Lightfoot et al., 1992]. Die Peroxyradikale reagieren mit NO zu Oxyradikalen und bilden NO2.
Die Alkoxyradikale reagieren sehr schnell mit molekularem Sauerstoff.
R stellt einen Alkylrest mit n C-Atomen
dar, während R' nur noch n-1 C-Atome enthält.
Somit sorgt auch die Reaktion der Peroxyradikale mit NO nicht für einen Radikalverlust, sondern nur für eine Umwandlung.
Durch die entstehenden Produkte ergeben sich weitere Reaktionsmöglichkeiten, die entweder zu weiteren Radikalen oder thermisch relativ instabilen Radikalreservoirstoffen führen.
Die Lebensdauern von HO2NO2 und RO2NO2 liegen nur in der Größenordnung von Sekunden und sind folglich für Transportprozesse unwichtig. Peroxyacylnitrate R(O)O2NO2 hingegen haben eine deutlich höhere Lebensdauer, obwohl auch sie thermisch zerfallen. Sie dürfen bei der Untersuchung des Transports von Luftmassen nicht außer acht gelassen werden, wenn man die Oxidationskapazität der Luftmasse berücksichtigen will.
Über NO2-Moleküle kommt es auch zu einem Radikalverlust, bei dem sich Salpetersäure bildet. Sie ist sehr wasserlöslich und gut durch feuchte Deposition auszuwaschen.
Die Bildung von NO2 aus den Peroxyradikalen und NO (R.24) führt nicht nur zu neuen Reaktionswegen für die verbliebenen Radikale, sondern hat einen sehr großen Einfluß auf die Ozonbilanz in der Troposphäre.
Gäbe es keine Peroxyradikale in der Troposphäre, würde sich tagsüber je nach einfallender Lichtintensität ein Gleichgewicht zwischen NO, NO2 und Ozon ausbilden, da NO2 photolysiert wird und das freie Sauerstoffatom dann Ozon bildet. Das gebildete Ozon reagiert mit dem NO aus der Photolyse wieder zurück zu NO2.
Durch die Anwesenheit der Peroxyradikale kommt es zu einer zusätzlichen Umwandlung von NO in NO2, bei der kein Ozonmolekül vernichtet wird, so daß es im Laufe des Tages zu einer deutlichen Zunahme der Ozonkonzentration kommen kann. Die Höhe der Ozonkonzentration hängt dabei im wesentlichen von der Menge an NOx, den zur Oxidation zur Verfügung stehenden Kohlenwasserstoffen und der Lichtintensität ab, weil diese Parameter die Höhe der Peroxyradikalkonzentration beeinflussen.
Während der Nacht fallen für die chemischen Abläufe alle Photolyseprozesse weg, so daß man eigentlich erwarten könnte, nachts keine Radikale vorzufinden.
Wenn am Tage genügend Ozon und NOx in der Luftmasse angesammelt worden ist, kommt es zur Bildung von NO3-Radikalen, die tagsüber nicht nachweisbar sind, da sie sofort wieder photolysiert werden.
Die NO3-Radikale übernehmen eine ähnliche Funktion wie die OH-Radikale tagsüber und greifen Kohlenwasserstoffverbindungen an.
Somit werden auch nachts Peroxyradikale gebildet, die dann ähnlich wie am Tage weiterreagieren, so daß es letztendlich zu einer Oxidation der vorhandenen Kohlenwasserstoffverbindungen kommt.
Bei niedrigen NO-Konzentrationen übernimmt das NO3-Radikal dessen Rolle und reagiert mit den vorhandenen RO2 zu NO2, vor allem, da die Reaktionskonstanten für die beiden Reaktionen fast gleich groß sind [Platt et al., 1990 , Mihelcic et al., 1993].
Nachts wird NO2 über (R.36) und (R.40) gebildet, was dazu führt, daß am nächsten Tag schon erhöhte NO2-Konzentrationen vorhanden sind, die mit dem Sonnenaufgang sofort für eine vermehrte Ozonbildung sorgen.
Zusammenfassend wird festgestellt, daß der Abbau von Kohlenwasserstoffemissionen über Radikale erfolgt. Dabei geschieht der erste Schritt meistens über das OH-Radikal. In den Folgereaktionen werden Peroxyradikale gebildet. Über die Umwandlung der Radikale ineinander kommt es zur immer weiteren Oxidation der Kohlenstoffverbindungen, so daß am Ende CO2 und H2O als Endprodukte erzeugt werden.
Ähnliche Abläufe ergeben sich für andere Spurenstoffe wie NH3, SO2 und H2S, wobei als Endprodukte ebenfalls Wasser und HNO3 bzw. H2SO4 entstehen, die leicht durch feuchte Deposition aus der Atmosphäre entfernt werden können. In bestimmten Situationen (wie z. B. Sommersmog-Situation: hohe Sonneneinstrahlung mit hohen Temperaturen und hohen anthropogenen Emissionen sowie vermehrter Ozonbildung) kann es im Zuge dieser Abbauzyklen zum Anstieg anderer Spurenstoffe wie Ozon, NO2, Peroxyacetylnitrat, Peroxypropylnitrat kommen. Diese Spurenstoffe können über mehrere Tage immer wieder ineinander umgewandelt bzw. neu produziert werden. Da in diesen Situationen tagsüber die Produktion die Abbaumechanismen weit überwiegt, entstehen Konzentrationen, die für Lebewesen nicht mehr unbedenklich sind.
Um die Zusammenhänge dieser Reaktionsmechanismen vollständig zu verstehen, reichen die Messungen der Spurenstoffe wie Ozon, NO, NO2, PAN, Kohlenwasserstoffe, CO und CO2 nicht mehr aus. Die Radikalkonzentrationen müssen auch gemessen werden. Sie stellen einen Schlüsselparameter zur Charakterisierung der betrachteten Luftmasse dar.
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