Bei jedem Durchlauf des Reaktionszyklus wird jeweils ein NO2- und ein CO2-Molekül produziert. Zum Nachweis der Radikale werden die NO2-Moleküle mit einem Chemolumineszenzdetektor gemessen.
Da NO2 in der Außenluft generell in höheren Konzentrationen vorliegt als H2SO4, kann bei diesem Verfahren im Gegensatz zu IAMS die Hintergrundkonzentration des Umwandlungsprodukts keinesfalls unberücksichtigt bleiben. Hinzu kommt noch, daß Ozon aus der Außenluft mit dem zugegebenen NO gemäß (R.36) zu NO2 reagiert und das Hintergrundsignal damit sehr stark erhöhen kann. Sowohl Ozon als auch NO2 können in der Atmosphäre großen kurzfristigen Schwankungen unterliegen, so daß der NO2-Hintergrund regelmäßig bestimmt werden muß.
Dazu wird das sogenannte Modulationsverfahren verwendet, bei dem periodisch zwischen Hintergrund- und Radikalmessung umgeschaltet wird. In den Reaktor, in dem die Verstärkungsreaktion stattfindet, wird permanent NO gegeben. Für die Radikalmessung kommt zusätzlich Kohlenmonoxid hinzu, so daß alle Reaktionen mit NO ablaufen können (NO2-Bildung über (R.23), (R.24) und (R.36)). Dabei gebildete OH-Radikale werden über (R.10) und (R.11) wieder in HO2-Radikale umgewandelt. Die gemessene NO2-Konzentration entspricht der atmosphärischen und der durch Ozon produzierten NO2-Menge. Dazu kommt noch die NO2-Produktion durch den Radikalumwandlungszyklus (Kettenreaktion).
Im Hintergrundmodus wird Kohlenmonoxid durch Stickstoff ersetzt. Die Reaktionen, die NO2 bilden, laufen jetzt ebenfalls ab. Eine Umwandlung von OH nach HO2 ist jedoch aufgrund des fehlenden CO nicht mehr möglich, so daß der Reaktionszyklus nicht ein einziges Mal vollständig durchlaufen werden kann. Die gebildeten OH-Radikale werden durch NO über (R.28) oder über Wandverluste abgebaut. Mit dem so erhaltenen NO2-Signal sind alle Hintergrundsignale aus atmosphärischem NO2 und Ozon abgedeckt.
Um die NO2-Menge zu erhalten, die durch die Radikalreaktionen erzeugt worden ist, muß das Hintergrundsignal von dem des Radikalmodus abgezogen werden [Cantrell et al., 1984].
Prinzipiell könnte die Verstärkungsreaktion unendlich oft ablaufen, wenn nicht Radikalverlustreaktionen im Reaktor auftreten würden. Hierbei handelt es sich teilweise um die selben Reaktionen wie beim massenspektrometrischen Nachweis, ihr Einfluß ist jedoch unterschiedlich. Aufgrund der verwendeten Konzentrationen an CO und NO liegt das Verhältnis von HO2 zu OH im Reaktor in der Größenordnung von 1000 zu 1. Das bedeutet, daß nur die Verlustreaktionen für HO2 eine Rolle beim Abbruch der Kettenreaktion spielen. Die Raten der Verlustprozesse wirken sich auf die Anzahl der durchlaufenen Reaktionszyklen (Kettenlänge) aus. Je größer die Verlustraten, desto kleiner die Kettenlänge.
[NO2] stellt das im Reaktor durch Radikalreaktionen
produzierte NO2 dar und die Radikalkonzentrationen entsprechen
denen der Meßluft.
Als wichtigster Verlustprozeß tritt die Abreaktion der HO2-Radikale an der Wand des Reaktors auf.
Die OH-Radikale haben noch eine höhere Wandverlustrate, treten jedoch wie oben erwähnt in wesentlich kleineren Mischungsverhältnissen als HO2 auf.
Als weitere Verlustprozesse sind die Reaktionen von HO2 und NO2 (R.31), sowie OH und NO (R.28) und die Eigenreaktion von HO2 (R.14) zu nennen.
Betrachtet man die Bildungsreaktion von PNA (HO2NO2), (R.31), so stellt sie erst einen nennenswerten Verlustprozeß bei hohen NO2-Konzentrationen dar. Diese können im Reaktor allein durch die Kettenreaktion nicht erreicht werden. In Sommersmogsituationen hingegen, in denen das Ozonmischungsverhältnis in der Meßluft die 100 ppb-Grenze überschreitet, reicht die aus dem Hintergrund stammende NO2-Konzentration aus, den Radikalverlust durch PNA-Bildung zu verstärken. Modellrechnungen haben gezeigt, daß die Kettenlänge um bis zu 10% verringert wird, wenn der Radikaldetektor bei hohen Ozonkonzentrationen verwendet wird [Cantrell et al., 1993].
Eine Peroxidbildung durch die Eigenreaktion von HO2 spielt bei Radikalmischungsverhältnissen unter 200 ppt keine Rolle, obwohl der Wert der Reaktionsrate relativ groß ist (ca. 1*10-12 cm3 Molek-1 s-1). Das Radikalmischungsverhältnis ist zu klein, so daß die Verlustrate durch Eigenreaktion höchstens 1% der Wandverlustrate ausmacht [Cantrell et al., 1984].
Die HONO-Bildung ist im Radikalmodus unwichtig im Vergleich zu den anderen Verlusten, weil kaum OH vorliegt. Im Hintergrundmodus beendet sie die Kettenreaktion, bevor auch nur ein Zyklus vollständig durchlaufen werden konnte. So wird die Hintergrundmessung kaum durch NO2-Produktion aus Radikalen gestört. Die NO2-Moleküle, die im Hintergrundmodus aus HO2-Radikalen gebildet werden, ergeben ein Mischungsverhältnis im ppt-Bereich, während die Hintergrundkonzentration aus Ozon und NO2 im zweistelligen ppb-Bereich liegt. Eine aus den Radikalen resultierende Veränderung des Hintergrundsignals liegt demnach deutlich unter 1% und ist damit vernachlässigbar.
Der Chemische Verstärker mißt nicht nur HO2 und OH-Radikale, sondern ist auch organischen Peroxyradikalen gegenüber empfindlich (vergleiche (R.24)).
Die RO2 reagieren mit NO und bilden NO2. Darüber hinaus reagieren die RO-Radikale mit Luftsauerstoff weiter und bilden eventuell über mehrere Zwischenreaktionen ein HO2-Radikal, wie schon im Kapitel 2.1 bei (R.25) beschrieben. Das HO2-Radikal tritt dann in die Kettenreaktion ein.
Die Empfindlichkeit für die organischen Peroxyradikale liegt unter der Empfindlichkeit für HO2 und OH, weil (R.29) und (R.32) in Konkurrenz zur HO2- bzw. NO2-Bildung stehen. Sie führen dazu, daß nicht jedes in den Reaktor gesaugte organische Peroxyradikal in HO2 umgewandelt wird. Diese Radikale liefern kein NO2-Signal, so daß die Kettenlänge für die organischen Peroxyradikale kleiner ist als für HO2. Cantrell et al., 1993 hat die relative Effizienz einiger organischer Peroxyradikale im Verhältnis zum HO2-Radikal mit einem Modell bestimmt. Sie liegen im Bereich zwischen 0,85 und 1. In Verbindung mit Modellrechnungen über die Radikalzusammensetzung in der Troposphäre, kommt er damit zu dem Ergebnis, daß mit dem Chemischen Verstärker in fast allen Fällen mehr als 90% der Radikalsumme aus HO2, OH, RO2 und RO gemessen werden kann.
Einige Reservoirstoffe für Radikale (PAN, PNA, PPN) treten bei dieser Meßmethode als Interferenzen auf. Diese Stoffe haben in der Atmosphäre Lebensdauern zwischen ein paar Sekunden und Stunden. Daher kann es vorkommen, daß sie im Reaktor oder im Schlauch zum NO2-Detektor zerfallen und ab dann mit dem vorhandenen NO und CO eine Kettenreaktion in Gang setzen, die zu einer Verfälschung des Signals nach oben führt. Da die Mischungsverhältnisse dieser Reservoirstoffe meistens im niedrigen ppb-Bereich liegen, reicht der Zerfall eines kleinen Bruchteils im Reaktor aus, um falsche Radikalsignale in der Größenordnung von mehreren ppt zu erzeugen.
Dieser Effekt kann deutlich reduziert werden, wenn die Zugabe von CO und N2 in den Reaktor nicht gewechselt wird, sondern die beiden Gase gleichzeitig an unterschiedlichen Punkten des Reaktors addiert werden. Der erste Additionspunkt befindet sich direkt hinter der Ansaugöffnung für die Meßluft, während der zweite Punkt weiter in Richtung NO2-Detektor liegt (siehe Kapitel 3, Reaktor-Abschnitt).
Für den Hintergrundmodus wird N2 am ersten und CO am zweiten Punkt addiert. Durch die HONO-Bildung (R.28) und die Wandverluste (R.48) und (R.49) reagieren alle Radikale ab, bevor sie den zweiten Zugabepunkt erreichen, ab dem eine Kettenreaktion möglich wäre. Somit ist eine korrekte Hintergrundmessung möglich. Reservoirstoffe können den zweiten Additionspunkt problemlos erreichen und danach zerfallen. Die so entstehenden Radikale führen zu einer Kettenreaktion im Schlauch zum NO2-Detektor und erhöhen somit das Hintergrundsignal.
Im Radikalmeßmodus werden die Zugabepunkte von CO und N2 getauscht, so daß eine Kettenreaktion direkt hinter der Ansaugöffnung beginnen kann. Reservoirstoffe können jetzt ebenfalls durch Zerfall zu einer Kettenreaktion führen und das Signal erhöhen.
Da durch den Reservoirstoffzerfall sowohl das Hintergrundsignal als auch das des Radikalmodus erhöht wird, heben sich die beiden Erhöhungen bei der Ermittlung der radikalbedingten NO2-Produktion auf.
Nur die Reservoirstoffe, die in der kurzen Zeit zerfallen, in der sie sich zwischen dem ersten und zweiten Additionspunkt befinden, erhöhen tatsächlich das Radikalsignal. Dieser Effekt ist nur sehr klein, da der Abstand zwischen den beiden Punkten möglichst klein gewählt wird [Hastie et al., 1991].
Auch dieses Verfahren muß mit einer Radikalquelle kalibriert werden, da die Kettenlänge von zu vielen Faktoren, wie Wandverlustraten, effektiver Reaktionszeit im Reaktor und Gaskonzentrationen abhängt.
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