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Der Ansatz nach Solomon et al.

Die Standardformulierung des Ansatzes Die Grundlage des Messansatzes nach Solomon et al. ist die Annahme eines Polarisationsverhältnisses, das additiv aus einem polarisierten und unpolarisierten Anteil besteht. Der polarisierte Teil wird auf RAYLEIGH Streuung, der unpolarisierte auf RRS zurückgeführt. Besonders in Hinblick auf die Diskussion in Kapitel 4 ist dieser Ansatz in verschiedener Hinsicht ungenau: (a) Die RAYLEIGH- gestreute Intensität beinhaltet bereits die Rotations RAMAN- gestreute Intensität. Eine additive Verknüpfung der elastischen Komponente der RAYLEIGH Streuung und RRS wäre somit korrekt. (b) RRS ist nicht vollständig unpolarisiert. (c) Neben der Vernachlässigung von MIE Streuung basiert der Ansatz auf der Entkopplung der Streuprozesse, also der additiven Verknüpfung der Strahlung für RAYLEIGH, MIE- und RRS. Dies ist nur möglich, wenn Einfachstreuung vorliegt, eine Annahme die im sichtbaren Wellenlängenbereich kaum- bzw. gar nicht gültig ist.
Die zu messende Zielgröße, das RING Referenz Spektrum, basiert nach Solomon et al. auf der Annahme, daß sich das zu messende Polarisationsverhältnis ALT wie folgt ergibt:  

 ALT (1)

ALT bezeichnet die mit den Streuquerschnitten ALT, also der von Polarisation und Streuwinkel ALT unabhängigen Größe, gewichteten Phasenfunktionen der RAYLEIGH Streuung für die parallel (,,ALT``) bzw. vertikal (,,ALT``) polarisierte Strahlungskomponente. C1 und C2 sind laut Solomon et al. 0.7629 bzw. 0.9324. In sie gehen aufgrund falscher Annahmen bezüglich des Wellenbereichs zu groß gewählte Depolarisationswerte der RAYLEIGH Phasenfunktion ein*. Der RRS Querschnitt ALT ist wegen der Annahme der vollständigen Depolarisation nicht mit einem Subskript versehen worden.
Die Gleichungen 1 sind in dieser Schreibweise nicht korrekt, da bei der Bestimmung des Polarisationsverhältnisses Intensitäten und nicht (gewichtete) Streuquerschnitte ins Verhältnis gesetzt werden.
Das Verhältnis von Rotations-RAMAN- zu RAYLEIGH Streuquerschnitt kompensiert spektrale Strukturen des RING Effekts bei Spurengasauswertungen und wird daher häufig als RING Referenz Spektrum bezeichnet. Solomon et al. berechnen es aus den Gleichungen 1:  

 ALT (2)

Das so bestimmte RING Referenz Spektrum wird also für unterschiedliche Streuwinkel entsprechend skaliert und ist daher für verschiedene Sonnenstände bestimmbar. 3pt
Für ALT Streuwinkel (in diesem Fall der Sonnenzenitwinkel) ergibt sich das Verhältnis von Rotations-RAMAN- zu RAYLEIGH- Streuquerschnitt, zu:  

 ALT (3)

Wobei ALT wegen der Annahme der vollständigen Depolarisation nicht mit einem Subskript versehen wurde. Da r in der DOAS Auswertung als skalierbares Referenzspektrum eingeht, ist ein Faktor wie C1 nicht von Bedeutung.
Ein entscheidender Vorteil des nach Gleichung 2 und 3 definierten RING Referenz Spektrums ist die Einfachheit des Messprinzips, denn r hängt ausschließlich vom Polarisationsverhältnis (und dem Streuwinkel) ab, was für die Messung und spätere Datenverarbeitung eine bequeme Grundlage darstellt und somit auch zur ,,Popularität`` dieser Methode beigetragen hat.
Es stellt sich nun die Frage, welche Bedeutung das nach Gleichung 2 gewonnene RING Referenz Spektrum hat, wenn der atmosphärische Strahlungstransport einbezogen wird.
Die erweiterte Formulierung des Ansatzes Die eigentliche Bedeutung des nach Gleichung 2 definierten RING Referenz Spektrums wird erst deutlich, wenn eine Analyse so allgemein wie möglich erfolgt. Da keine analytische Lösung der STG existiert, muß an dieser Stelle Einfachstreuung angenommen werden (siehe Abschnitt 4). Die Bodenreflektion, die praktisch auch Beitrag zur Einfachstreuung haben kann, wurde hierbei nicht einbezogen.
Unter Einbeziehung des Strahlungstransports läßt sich das am Boden im Zenit gemessene Polarisationsverhältnis, R, mit der einfachgestreuten Intensität, I, wie folgt schreiben:  

 ALT (4)

Hierbei wurde die Strahlungskomponente der (rein) elastischen Molekularstreuung mit ALT bezeichnet, vergleiche mit Kapitel 4. Dieselbe Nomenklatur wurde für die inelastischen Molekularstreuung, RRS, ,,ALT``, und MIE- (Aerosolstreuung), ,,ALT``, gewählt. Dabei bestimmen sich die jeweiligen Intensitätswerte wie folgt:  

 ALT (5)

Die Abkürzungen Ck und Cj sind für eine plan-parallele Atmosphäre gegeben durch:

ALT

wobei die optische Dicke und totale optische Dicke mit ALT bzw. ALT bezeichnet wurden sowie mit ALT, dem Cosinus des SZA. Weiterhin sind folgende Abkürzungen eingeführt worden:

ALT (6)

Wie schon in Kapitel 4 ist Fk bzw. Fj der extraterrestrische Fluß für die jeweilige Wellenlänge ALTbzw. ALT. ALT, ALT und ALT, bzw. ALT,ALT und ALT bezeichnen die Volumenstreukoeffizienten, bzw. Phasenfunktionen für Aerosolstreuung sowie RAYLEIGH- und RRS für die Höhe z. ALT und ALT entsprechen den Volumenstreukoeffizienten, bzw. Phasenfunktionen für elastische (unverschobene) RAYLEIGH Streuung*. Im Sinne der Übersichtlichkeit ist auf explizite Formulierung der Winkelabhängigkeit für die Phasenfunktionen verzichtet worden.
Die beiden Energieumverteilungsprozeße, also die Verteilung der Energie, durch ,,Wellenlängenstreuung`` von allen ALT auf ALT, sowie von ALT auf alle ALT, wird durch ALT beziehungsweise durch ALTerfaßt.
Setzt man nun Gleichung 4 in Gleichung 2 ein und führt weiterhin die Polarisationsverhältnisse für die elastische Molekularstreuung sowie RRS (Placzek, 1934) ein:
 
ALT(7)

ergibt sich das gemessene RING Referenz Spektrum:
ALT
Für den Einsatz des RING Referenz Spektrums in der DOAS Auswertung wird ein Polynom höherer Ordnung subtrahiert, um spektrale Breitbandcharakteristika zu entfernen. Solche breitbandigen Strukturen im RING Referenz Spektrum können nur durch ,,ALT-Prozesse`` hervorgerufen werden, während durch die Energieumverteilung, der Breitbandcharakteristik (ALT) der RRS die ,,hochfrequente`` Struktur (hochfrequent im Sinne der spektralen Dynamik) der FRAUNHOFERlinien sowie Absorptionslinien aufgeprägt wird. Da ein solches Meßspektrum üblicherweise Anwendung in der DOAS Auswertung (siehe Abschnitt D) findet, ist die Entfernung von breitbandige Strukturen mit Hilfe eines Polynoms höherer Ordnung (Grad 2 bis 3) gewährleistet. Nach Abzug eines Polynoms bezeichnet man r als differentielles RING Referenz Spektrum, r'*:  

 ALT (8)

Zu beachten ist bei der Interpretation eines nach Gleichung 8 definierten differentiellen RING Spektrums, daß neben der unmittelbaren Streuwinkelabhängigkeit, bestimmt durch die Polarisationsverhältnisse- und Phasenfunktionen (s.u.), noch die Abhängigkeit der optischen Dicke vom SZA hinzukommt.
Aufgrund der Vielzahl atmosphärisch bedeutender Aerosole und ihrer zum Teil stark unterschiedlichen optischen Eigenschaften ist es in praxi nur schwer möglich, für den allgemeinen Fall das Polarisationsverhältnis anzugeben. Allerdings liegt die Depolarisation für ein polydisperses Aerosolgemisch fast immer deutlich höher als für Molekularstreuung (für weitere Details bezüglich der Polarisation des Tageshimmels sei auf Coulson (1988) verwiesen). Weiterhin wird im kurzwelligen- sichtbaren sowie im UV Wellenbereich Aerosoldepolarisation durch Mehrfachstreuung maskiert. In Fällen starker urbaner Aerosolbelastung (z.B. Smog, aber auch Bewölkung) muß sogar eine starke Zunahme der (zusätzlich depolarisierenden) Mehrfachstreuung erwartet werden. Damit darf für den hier dargestellten simplifizierten Ansatz angenommen werden, daß die Differenz ALT verschwindet. Für die Analyse realer gemessener RING Referenz Spektren muß aber beachtet werden, daß bei moderater Aerosolbelastung die Annahme der kompletten Depolarisation der Aerosolstreuung nicht gegeben sein muß (Coulson, 1988)!
Die physikalische Bedeutung des RING Referenz Spektrums nach 8 wird deutlich, wenn die Komponenten der Gleichung 8 mit 5 in eine ausführlichere Form gebracht werden. Neben den spektralen Abhängigkeiten ist auch die Streuwinkelabhängigkeit Gegenstand des Interesses. Daher sind für die Strahlungsterme ALT und ALT im folgenden die Abhängigkeiten aufgeschlüsselt worden.
Es ergibt sich nun für das RING Referenz Spektrum bei Annahme der vollständigen Depolarisation von Aerosolstreuung und Formulierung der Phasenfunktionen (Kattawar et al., 1981) für die Strahlungsterme

ALT (9)

folgender Zusammenhang:  
 ALT (10)
Vernachlässigt man weiterhin aufgrund seiner Größe den RRS Term im Nenner und gibt einen SZA von 90o vor, ist das differentielle RING Referenz Spektrum demnach:  

 ALT (11)


Diskussion
Grundsätzlich trägt das nach Gleichung 10 und 11 definierte RING Referenz Spektrum beiden ,,Auffüllungsarten`` Rechnung: Auffüllung der FRAUNHOFERlinien sowie Auffüllung der molekularen Absorptionslinien.

1.
Die Auffüllung der FRAUNHOFERlinien erfolgt gemäß des Quotienten des extraterrestrischen Flusses (Irradianz) für alle Anregungswellenlängen ALT, ALT und dem Fluß für die untersuchte Wellenlänge ALT, ALT.
2.
Die Auffüllung der Gasabsorptionslinien ist über das integrale Verhältnis der Funktionen ALT und Ck(z) bestimmt.
Weiterhin gewährleistet das so definierte RING Referenz Spektrum entsprechend kleine Werte für den Fall geringer Dynamik des Sonnenspektrums (ALT, sowie schwacher Gasabsorption (ALT). Gleichung 11 bestätigt die Annahme, daß im Falle der Einfachstreuung bei 90o das durch R/(1-R) definierte RING Referenz Spektrum dem Verhältnis RRS- zu elastisch- gestreuter Intensität entspricht. Solomon et al. unterscheiden nicht zwischen elastisch- gestreuter- und (klassisch) RAYLEIGH- gestreuter Strahlung. Das von ihnen angegebene Verhältnis entspricht dem der RRS- zu RAYLEIGH- gestreuten Intensität. Nach Solomon et al.'s Ansatz ergibt sich das gemessene RING Spektrum s entsprechend Gleichung* 3. Zwischen der Definition für s gemäß Gleichung 3 und der für 90o SZA hier beschriebenen (Gleichung 11), unter der Annahme, daß ALT,ergibt sich eine Beziehung zwischen r' und s von r'=s/(1-s). Ist s also klein gegenüber 1, wird die Gleichung sich zu ALT reduzieren. Dies gilt allerdings nicht im Bereich tieferer FRAUNHOFERlinien, in denen die Rotations-RAMAN- gestreute Intensität große Werte annehmen kann. Damit ergibt sich eine stärkere Auffüllung (der molekularen Absorptionslinien sowie FRAUNHOFERlinien) als man sie gemäß Formulierung nach Solomon et al. erwarten wird.

Im direkten Vergleich von r' und s bleiben allerdings grundsätzliche Unsicherheitsfaktoren, die stark von der atmosphärischen Situation während der Messung abhängen und somit schwer vorhersagbar sind:

1.
Mit Gleichung 7 läßt sich eine theoretische Maximaldepolarisation des durch Rotations- RAMAN gestreuten Lichts von 86% berechnen. Fraglich ist, wie sich die Forderung nach vollständiger Depolarisation auf das gemessene RING Referenz Spektrum auswirkt.
2.
Welche Auswirkungen auf das gemessene RING Referenz Spektrum durch Aerosolstreuung zu erwarten sind, bleibt unklar. Unter Normalbedingungen ist sie nicht zu vernachlässigen.
3.
Die depolarisierende Wirkung der Mehrfachstreuung wirkt sich auf das RING Referenz Spektrum aus. Allerdings sind die Unsicherheiten dieser Einflußnahme relativ groß: (i) Welchen Einfluß hat die durch RRS mehrfachgestreute Strahlung? (ii) Wie wirkt sich die Aerosolstreuung im Zusammenhang mit Mehrfachstreuung aus (ALT Wolken)?

Es ist erwähnenswert, daß Richter für die Bestimmung von s bei seinen Messungen den sinnvollen Gültigkeitsbereich der Messungen von RING Referenz Spektren auf 50-90o SZA beschränkt:

1.
da die Polarisation für SZA < 50o klein ist und damit der Störabstand (SN) zu klein ist;
2.
Da für große SZA > 90o die Integrationszeit entsprechend groß gewählt werden muß, unterscheiden sich die Lichtwege für die Messungen der unterschiedlichen Polarisationsebenen. Damit können atmosphärische Absorptionen in R erscheinen.


Weiterhin sind aufgrund des kleinen SN Zenitmessungen unterhalb von 320 nm nicht zuverlässig.
Zusammenfassung
Grundsätzlich bleibt zu bemerken, daß trotz zum Teil stark vereinfachender Annahmen das nach Solomon et al. definierte RING Referenz Spektrum ein Maß für die Größe des molekular-inelastisch zu molekular-elastisch gestreuten Lichtes darstellt, obwohl, die Referenz nicht, wie von Solomon et al. behauptet, die gesamte RAYLEIGH-gestreute Intensität, sondern nach oben durchgeführten Überlegungen nur die (unverschobene) Zentralkomponente der RAYLEIGH Streuung ist. Für Vergleiche eines solchen RING Referenz Spektrums mit anderen ist ein solcher Unterschied zu berücksichtigen.
Unabhängig von der Interpretation des RING Referenz Spektrums ist die Unsicherheit, wie das gemessene RING Referenz Spektrum sich durch Mehrfachstreuung verändert, da zum einen mehrfachgestreute Strahlung normalerweise recht stark depolarisiert ist, zum anderen auch RRS an der Mehrfachstreuung teilhat. Ein weiterer, entsprechend großen Unsicherheitsfaktor stellt die Aerosolstreuung dar.
Im Abschnitt 9 werden verschiedene Meßspektren zwecks Validation von Modelldaten benutzt. Eines davon ist das im September 1994 durch das GOME-FM (GOME Flight Model , das GOME Flugmodell) gemessene RING Referenz Spektrum, welches gemäß der oben beschriebenen Methode in Delft bei TPD während der GOME Kalibrationsphase bestimmt wurde. Die genaue technische Spezifikation und Datenanalyse ist im technischen Bericht von Richter et al. (1994) zu finden. Der Bestimmung der RING Referenz Spektren für das bodengestützte Spektrometer in Bremen basiert auf denselben Annahmen, wobei laut Richter et al. der SN für die GOME-Messungen aufgrund weniger Messungen pro SZA ungünstiger war.

 



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Marco Vountas